's Fünfer-Weibl

>>>> eine wahre Kriminalgeschichte aus Königswalde <<<<

Nach dem Krieg waren die Berliner die ersten, die bereits 1953 schon wieder Lotterie spielen konnten (Bärenlotterie). Da mindestens die Hälfte der Einsätze für gemeinnützige Zwecke verwendet werden mußte, brachte diese Form des Glücksspiels für alle etwas Gutes.

Ab dem 1.1.1955 konnte dann auch in den übrigen deutschen Ländern wieder Lotto gespielt werden. Und bereits in diesem ersten Jahr hatte ein Königswalder Bürger, der Erwin Roschinsky, einen Vierer gewonnen. Über 54000 Mark soll die Quote, der ausgezahlte Geldgewinn, damals gewesen sein. Sehr hoch für einen Vierer. Bestimmt hatte es nur wenige Vierer, vielleicht auch gar keinen Fünfer in dieser Ziehung gegeben. Und natürlich eine enorme Summe Geld für die damalige Zeit, als Stundenlöhne von 1.- Mark schon hoch waren und der Monatsverdienst um 150.- Mark lag. Wie viele Königswalder mögen sich wohl in Gedanken ausgemalt haben, was sie mit so viel Geld anfangen würden. Sollte man nicht auch einmal Lotto spielen ...?

Damals wurde "Deutsches Zahlenlotto" gespielt, 5 aus 90. Ein Tipp kostete 50 Pfennige. Sonnabend, nachmittags 14.00 Uhr war Annahmeschluß. Die Spielscheine bestanden aus drei gleichen Scheinen mit den Zahlenfeldern von 1 bis 90, die erst mit einer aufgeklebten Banderole ihre Gültigkeit erhielten, wenn man den Tipp bezahlt und abgegeben hatte. Die Banderole war fortlaufend durchnumeriert und es gab auch noch einen "Trostpreis" auf die richtige Endnummer. Seine fünf Zahlen konnte man in Ruhe zu Hause ankreuzen. Dann wurde der Schein zusammengefaltet und alle drei Spielscheine gemeinsam gelocht. Einen Schein bekam man zurück, einer blieb auf der Post und der dritte Schein ging an die Lotto-Zentrale in Leipzig. Die Lochzange hing an einer Schnur an dem kleinen Wandtisch gegenüber der Tür.

Jeder hatte seine eigene Methode, die "richtigen" fünf Zahlen auszuwählen: Geburtstage, das Alter von Frau oder Kinder, mathematisch ermittelte "Glückszahlen", Zahlen die schon einmal gewonnen hatten, usw. usw., daran hat sich wohl bis heut nicht viel geändert. Der Roschinsky, Erwin soll angeblich seine Frau nachts geweckt haben, als er spät nach Hause kam und die hatte dann im Halbschlaf eben diese fünf Glückszahlen aufgesagt ...

Seit nun die Roschinskys gewonnen hatten, war auf der Post der Teufel los. Auf einmal spielte das halbe Dorf Lotto. Die Post-Ilse war echt zu bedauern, was da Sonnabends auf unserer Post los war, gerade wenn sich Sonnabends Mittag nach Arbeitsschluß mancher noch schnell überlegt hatte, einen oder gar mehrere Tippscheine abzugeben.

Ja, und eines Tages war sogar noch die Lochzange verschwunden. Zum Glück war noch eine auf Ersatz da. Die wurde jetzt aber fest an eine Kette gehängt, nicht mehr bloß einfach so an einen Bindfaden !!!

Am Sonntag lauschte dann alles gespannt am Radio, wenn nach den Nachrichten das Ziehungsergebnis bekanntgegeben wurde, natürlich "ohne Gewähr". Wer kein Radio hatte, mußte bis Montag auf die Zeitung warten. Da standen dann die Gewinnzahlen drin und paar Tage später natürlich dann auch die Quoten, also was in den einzelnen "Rängen" für Beträge gewonnen wurden, denn die Auswertung bei VEB Lotto-Toto dauerte lange und mußte damals noch von Hand mit Schablonen durchgeführt werden.

Aber weitere große Gewinne blieben in Königswalde erst einmal aus. Man freute sich schon, wenn man einen "Zweier" hatte, vielleicht 8,50 Mark gewann und wenigstens für ein paar Mal den Einsatz wieder 'rein hatte.

Wir Kinder sammelten die alten Spielscheine. Man mußte sie bündeln und abgeben. Für 200 gespielte Tippscheine gab es einen Gutschein für ein Buch. Man konnte es aus einer Liste vom Buchhaus Leipzig auswählen!

Doch nun endlich hatte das Glück wieder einmal in Königswalde zugeschlagen. Fast ein Jahr hatte es gedauert. Wie ein Lauffeuer ging der Schrei durch den Ort: "de Preissner-Paula hot enn Fümfer in Lotto" (Name frei erfunden) !!!!!

Was wird's wohl als Gewinn geben, 250, 300 Tausend Mark, oder gar eine Halbe Million, unvorstellbar viel Geld jedenfalls ! 500 Tausend Mark war der Höchstgewinn der überhaupt ausgezahlt werden durfte.

Mensch, was hat die Paula bloß für ein Glück. Schon am Montagvormittag kam der Bürgermeister, dr Freier-Kurt, mit'n Blumenstrauß zum gratulieren. De Paula zeiget sich gleich von ihrer großzügigen Seit: es wür bestimmt wos für de Gemeinde miet ofalln, wos halt an dare grußn Zohl su hinten dra ständ, runde 50 Tausend Mark vielleicht, se wüßt ja ah noch net wos es diese Woch fürn Gewinn gäb, aber zo en Freischwimmbod für de Kinneschwäller wards schie miet reichn ... .

Als nächster kam dr Flohr-Gotthard, dr Baumaster, er hätt sich schie üm alles gekümmert, e Grundstückel tät er ah versorgn un für schlappe fuffzigtausend Mark tät er glei ab nächste Woch dr Paula e Haisl hiesetztn, alles von feinsten ...

Dr Mützn-Hahn wollt dann de Paula ah glei mit senn Auto nooch Leipzig fahrn un ah wieder ehamm, daß se mit dann vieln Gald net in dr Eisenbah oder gar in Ommibus unnerwags sei müßt ...

Ja und als dann de Polezei mit dr griene Minna kam - war dr Spuk vorbei. De Paula un ihr Maa wurn erst mol mietgenomme.

Es wäre halt auch alles zu einfach gewesen. Die Paula hatte von ihren Spielschein, der natürlich diesmal wieder nichts gewonnen hat, einfach die Banderole abgelöst, schön vorsichtig über'n dampfenden Kochtopf und auf einen neuen Schein geklebt. Mit der Lochzange, die sie schon seit längeren "in ihren Besitz gebracht hatte", hat sie dann einfach den neuen Spielschein gelocht, nachdem die Ziehungsergebnisse im Radio bekanntgegeben worden waren. An das Doppel des Spielscheins auf der Post und der Zentrale in Leipzig hatte sie wohl einfach nicht gedacht.

Und im Grunde war ja auch gar nichts passiert. Die Paula kam mit einem blauen Auge davon, sie hatte "ja nur einen Versuch" gemacht. Geld hatte sie ja noch gar nicht bekommen und der Schaden war nur rein moralischer Natur.

Nun lachte das ganze Dorf. Zuerst über de Paula, die dafür ihren Spitznamen "s Fünfer-Weibl" wegbekam. Dann natürlich über alle, die mit darauf reingefallen waren. Am meisten wohzl aber über den Bürgermeister, der allen schon von seinem "Schwimmbadprojekt" berichtet hatte !

Die Schulkinder machten noch lange ihren Spaß mit ihm. Ein aktueller Schlager wurde umgedichtet und immer dann angestimmt, wenn grad' der Bürgermeister vorbeikam:

"Ein Gruß, ein Kuß, ein Blumenstrauß.

dann kam de ganze Schoße 'raus,

und aus dann Schwimmbod ward nischt draus !"

Am Schluß bekamen wir dann doch noch unser Schwimmbad, sogar ein Hallenbad. 1961 bis 1962 wurde das Kellergeschoß der Turnhalle, die ehemalige Schlauchwäsche der Feuerwehr, von vielen fleißigen Königswalder Bürgern in ungezählten freiwilligen Aufbaustunden (NAW) umgebaut und das Geld dafür soll aus Lotto-Mitteln gekommen sein !

Ob wohl die Paula danach auch wieder Lotto gespielt hat .....?

 

 

Glück Auf !

Wolfgang Süß

im März 2002

 

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