Von jeher waren die Erbgerichte der Dörfer von dem jeweiligen Grundherren mit besonderen Privilegien ausgestattet, wie z.B. das Recht Bier zu brauen und auszuschenken, Markt abzuhalten, auf Niederwild zu jagen usw.. Doch oblag den Erbrichtern auch die nicht immer leichte Aufgabe, die "niedere" Gerichtsbarkeit auszuüben. So hatten sie nachbarliche Streitfälle zu schlichten, Verstöße gegen die dörfliche Ordnung zu ahnden, für Durchführung der Verordnungen des Landesherren zu sorgen und Abgaben und Dienste für ihn einzutreiben. So auch in Königswalde, mit der wohl einmaligen Besonderheit, daß es sowohl auf der Amts- und als auch der Ratsseite einen Erbrichter gab, wegen der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Grundherrschaften.

Jährlich sollten 3 Gerichtstage abgehalten werden, sofern es nötig wäre. Zu diesen Gerichtstagen hatten alle erwachsenen Einwohner zu erscheinen !

Die "hohe" Gerichtsbarkeit aber lag in den Händen der jeweiligen Grundherren, also dem Rat der Stadt Annaberg für die Ratsseite, die Amtsseite unter dem Kurfürstlichen Amt Schlettau. Zum Strafregister der hohen Gerichte gehörten Geldstrafen, Prangerstehen, Gefängnis sowie Strafen an Leib und Leben ! Zur Festlegung des Strafmaßes standen dem Richter Schöffen (Geschworene) zur Seite. Auch konnte zur Wahrheitsfindung die "hochnotpeinliche" Befragung (Folter) angeordnet werden !

Das damalige Strafrecht ist uns oft unverständlich, hart und grausam. Besonders drastische Strafen standen auf Eigentumsdelikte ! Bei der Tat gestellte Diebe ließ man im allgemeinen aufhängen ! Dagegen war es auch möglich, daß man sich für ein Totschlag-Vergehen mit einer hohen Geldbuße, die das Auskommen der hinterbliebenen Familie sichern sollte, faktisch freikaufen konnte.

Für den Fall einer Todesstrafe gab es sogar in unserem kleinen Dorf ein eigenes "Hochgericht", einen Galgen.

Doch wo stand der Königswalder Galgen ? Diese Frage beschäftigte die Chronisten unseres Ortes schon lange. In allen Chroniken konnten dazu bisher nur Vermutungen angestellt werden: "am Grumbacher Weg, auf halber Höhe hinter der sogenannten Villa an der Jöhstädter Straße" usw.

Nun ist mir eine alte Flurkarte aus dem Jahre 1796 in die Hände gekommen, die eine sehr genaue und sichere Klärung herbeigeführt hat.

Auf ihr ist der ehemalige Standort des Galgens eindeutig eingezeichnet:

"alhier wo die 3 rothen punkte

sind ist der Galgen gestanden" .

Ein Herr "Straßenbau Aufseher" Julius Heinrich Richter hat die Karte genau maßstabsgerecht gezeichnet: "40 Verjüngte Ruthen, jede Ruthe zu 7 Ellen 14 Zoll Leipziger Maas, deren 300 auf einen Acker gerechnet werden" ! Damit war es einfach den genauen Standort zu bestimmen, zumal der Platz für den Galgen an einer damals wohl ganz prädestinierten Stelle gewählt worden war: Genau auf der nördlichen Flurgrenze des "Galgengutes", der zum Erbgericht auf der Ratsseite gehörenden 2. Hufe (heute steht u.a. die Siedlung an der Jöhstädter Str. darauf) an der Kreuzung dreier Wege.

Das waren zum einen der "quer Weg", der etwa den Verlauf der heutigen Plattenstraße folgte, zum anderen der diagonal über die gesamte Flur von der Kirche bzw. dem Ratsgericht aus fast geradlinig nach Jöhstadt verlaufende, als "Fuß-Steig" und "der alte Henne Weg" bezeichnete, Weg und natürlich dem Feldweg auf der Flurgrenze. Hier, etwas oberhalb der Kreuzung dieser drei Wege, ist der Standort des Galgens eingezeichnet !

Heute kreuzen sich hier die Verlängerung des Siedlerweges, der nördlich der Siedlung genau dieser Flurgrenze folgt, mit der Plattenstraße !

Der Fußweg mit der Bezeichnung "der alte Henne Weg" ist übrigens schon in der Öder-Karte (um 1600) eingezeichnet und man rätselt, ob sein Name nicht von dem auf der Jöhstädter Höhe liegenden Waldrevier "In Alten Hain" abgeleitet ist.

Nachdem der zuletzt am 14.Juli 1630 aufgerichtete Galgen zusammengebrochen war, wurde am Mittwoch, den 8.Juli 1659, der letzte Königswalder Galgen hier aufgebaut. Darüber gibt es einen schönen detaillierten Bericht in unserer Chronik (S. 44-45).

Das war zugleich auch der letzte Galgen, der hier in Königswalde stand. Wie lange er dann noch gestanden, ist nicht überliefert. Auch ist anzunehmen, daß er wohl nicht "in Gebrauch genommen" werden mußte. Sicher war sein grausiger Anblick schon Abschreckung genug !

Glück Auf !

Wolfgang Süß

im April 2003

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