Ortsgeschichte auf alten Schießscheiben

Für unseren wiedergegründeten Schützenverein war das vergangene Jahr (1996) ein Jahr voller Überraschungen und die durchweg positiven Ereignisse überschlugen sich fast.

In den ersten Wochen nach der Gründungsversammlung waren wir ständig auf der Suche nach Belegen vom alten Königswalder Schützenverein. Es mußte ein Wappen entworfen werden, man braucht Stempel und Briefköpfe für den amtlichen Schriftverkehr und bei all diesen Dingen wollten wir uns schon gerne an die Originale unserer Großväter halten. Also half nur Suchen und Nachfragen.

Doch dann kam der entscheidende Tag: Nachdem Hartmut Melzer und Wolfgang Süß am Freitagnachmittag, am 31.Mai, wieder einmal vergeblich auf dem Boden des Ratsgerichtes und in Schuppen und Scheune des Freund-Gutes rumstöbern durften, brachte tags darauf Gerd Freund die alte Fahne zu Hartmut Melzer - er hatte selbst noch einmal auf dem Dachboden gesucht. Als wir sie zum nächsten Schützenabend das erste Mal präsentierten, wurde spontan eine Sammlung gemacht und für den Finder ein Präsentkorb gekauft und überreicht .

Was soll ich groß erzählen, natürlich war unsere Freude riesig. Was für eine herrliche Fahne ! Zwar ist sie stark beschädigt, aber es ist noch alles dran. Ein herrliches Vereinswappen auf der Vorderseite - wer immer es auch war, der es damals entworfen hat, es war ein Künstler. Und da standen sie, die gesuchten Jahreszahlen:
1871 das Gründungsjahr, 1896 das Jahr der Fahnenweihe. Auf der Rückseite das sächsische Wappen und die Inschrift:

"Von den Frauen und Gönnern des Vereins zum 25. Bestehen gewidmet".

Es muß also auch damals schon eine sehr große Mühe und Aufwendung gekostet haben, die Anschaffung solch einer Fahne. Erst zum 25-jährigen Vereinsjubiläum war das Geld für eine Fahne zusammen, gesammelt von den Frauen der Vereinsmitglieder und Sponsoren des Vereins. Wie sich doch die Zeiten gleichen . Auch heute, hundert Jahre später, wird es nicht anders sein, wird noch viel Verständnis unserer Frauen und manche Spende notwendig sein bis wir das Geld zusammen haben, um diese Fahne restaurieren und in neuem Glanz erstrahlen lassen können. Mit einem Zuschuß von der Gemeinde ist aber schon ein guter Anfang gemacht, für den wir uns hier herzlichst bedanken möchten, ebenso bei allen anderen, die uns bisher unterstützten

Mit dem Wiederfinden der Fahne war mit einem Male ein ganzes Stück der Vergangenheit der Privilegierten Schützengesellschaft Königswalde geklärt: Wir haben ein Vereinswappen, das ja unbedingt auch zur Schützentracht gehört, und das Jahr der Gründung 1871 und der Fahnenweihe 1896 waren geklärt .....

beim zweiten Lesen dieser Jahreszahlen, kam die nächste Überraschung: das waren ja gleich 2 Jubiläen, die da 1996 noch anstanden !

125 Jahre Bestehen der Privilegierten Schützengesellschaft Königswalde und

100 Jahre Fahnenweihe

Eine große Verpflichtung und ein hartes Stück Arbeit für die inzwischen 14 Mitglieder unseres Vereins. So ging es schon zeitig und mit viel Elan und Freude an die Vorbereitung eines ersten Schützenfestes.

Anfang August kam die Fa. Klingner zu uns und wir suchten unsere neue Tracht aus, dabei haben wir uns soweit wie möglich an das alte Original gehalten und sind mit der gefundenen Lösung sehr zufrieden. Fast "pünktlich", 1 Woche vor dem Schützenfest, bekamen wir sie dann auch geliefert. Das Schützenfest selbst wurde ein großer Erfolg. Gemeinsam mit unseren Schützenfreunden aus Mildenau und Neudorf und vielen Gästen erlebten wir einen ersten Schützenaufzug in Königswalde mit Blasmusik und Salutschüssen und einen stimmungsvollen Abend im Amtsgerichtsaal.

Für die nächste Überraschung sorgte ebenfalls wieder unser Gerd Freund: Ob wir für die Ausgestaltung des Schützenfestes nicht noch ein paar alte Scheiben haben wollten ....und ob wir die wollten !

Nachdem wir sie etwas von dem über 60jährigem Staub befreit hatten, waren wir erstaunt über ihren guten Zustand und die herrlichen Motive. Es sind sogenannte Ehrenscheiben, die von Mitgliedern des Schützenverein oder anderen Bürgern zu einem besonderem Ereignis gestiftet werden und gleichzeitig als Ziel und Preis eines dazu veranstalteten Wettschießens dienen. Manchmal sind Hochzeiten, runde Geburtstage oder andere Jubiläen der Anlaß solche Scheiben zu geben und natürlich wurde damals wie heute der Schützenkönig auf solch besonderen Scheiben ausgeschossen.

Das interessante an den hier erhaltenen Scheiben ist, daß auf allen Ereignisse der Geschichte unseres Ortes gewürdigt werden.

Die rechte Scheibe von 1923 zeigt die Westansicht unserer Kirche und ist dem 400jährigem Kirchenjubiläum gewidmet. Wie wir darauf lesen können hatte Max Bräuer dieses Preisschießen gewonnen und wer sich erinnert, diese Scheibe hing immer beim Tobak-Max, wie er gerne genannt wurde, im Hausflur.

Auch war es üblich, daß der Spender sein Haus oder Gut darstellen ließ, so wie die linke Scheibe von 1930 belegt, die das (neue) Ratsgericht-Gut zeigt und zu lesen ist, daß sie von Otto Freund gestiftet wurde.

Eine Scheibe mit der Jahreszahl 1926 zeigt das Bild unserer Schule und erinnert an den Schulneubau. Sie ist stark verwittert. Bestimmt hatte sie der damalige Gewinner viele Jahre am Giebel oder über der Haustür seines Hauses aufgehängt, wie das mit Ehrenscheiben und Königsscheiben damals wie heute üblich war und ist.

Wesentlich besser erhalten und wirklich kunstvoll gestaltet sind die anderen Scheiben. Da eine sogar signiert ist, wissen wir auch wer sie gemalt hat: Fritz Hübner, unser wohl noch allen bekannte Malermeister.

Besondere Ereignisse wurden mit solchen Ehrenscheiben bedacht: so ist auf einer weiteren Scheibe mit der Jahreszahl 1927 die Ansicht des alten "Gasthof zum Rathsgericht" zu sehen und es wird vermerkt, daß dies das Gründungslokal der Privilegierten Schützengesellschaft Königswalde war und am 25.5.1908 durch Feuersbrunst zerstört wurde.

Eine weitere Scheibe ist dem Bau unseres Rathauses im Jahre 1929 gewidmet.

Diese schöne Tradition wollen auch wir weiterführen. Unsere Königsscheibe von 1996 zeigt das Wappen unserer Fahne und ist dem 125jährigem Jubiläum des Schützenvereins gewidmet. Und daß unser Schützenkönig Mario Klitzke für 1997 eine Königsscheibe stiftet, auf der das Deutsche Haus zu sehen sein wird, steht auch schon fest - zumal es ja auch das Lokal der Wiedergründung unseres Vereins ist !

Zu einem der letzten Schützenabende sagte einer - jetzt fehlt uns eigentlich bloß noch die alte Königskette ...

Das wäre wohl doch zuviel an Überraschungen für ein Jahr. Aber möglich ist alles, vielleicht kommt auch diese eines Tages wieder zum Vorschein. Wir kennen ihr Aussehen nur von den alten Bildern. Es ist ein silbernes Brustschild, das an einer Kette getragen wird. Brustkragen ist eigentlich die richtige Bezeichnung. In der äußeren Form erinnert sie etwas an die halbmondförmigen Brustschilder, die im 3.Reich die Militärpolizei umhängen hatte, die davon die berüchtigte Bezeichnung "Kettenhunde" weggetragen haben. Historisch gesehen ist diese Form der auf der Brust getragenen Schilder aber viel viel älter und wurde schon bei den Römern zur Kennzeichnung ihrer Legionen verwendet.

Auch für dieses Jahr hat sich der Schützenverein wieder viel vorgenommen. Bestimmt wird es ein Schützenfest und Preisschießen geben, und natürlich wird auch ein neuer Schützenkönig gesucht !

Wünschen wir unserem Schützenverein für 1997 viel Spaß und Freude am Schießsport, beim sportlichen und kameradschaftlichem Wettstreit ebenso bei der Pflege alten Brauchtums und viele stimmungsvolle Stunden in bester Geselligkeit ... und vielleicht wieder ein paar so schöne Überraschungen !

Wolfgang Süß

16. Dezember 1996

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